Suche

Nachricht

25.11.2021 Kategorie: Wort zur Zeit

Gott schämt sich nicht für uns

Andacht von Jörg Schubert, Pfarrer in Johannes und Heiliggeist

Liebe Leserinnen und Leser,
wann haben Sie sich das letzte Mal fremdgeschämt? Wann hatten Sie zuletzt das Gefühl, sich für jemand anderen schämen zu müssen, weil er oder sie in eine peinliche Situation geraten ist?
Solche Situationen gibt es in unserem Alltag ja leider viele: die Hosennaht, die ausgerechnet in der Öffentlichkeit reißt, der Fleck auf der Bluse bei einer wichtigen Besprechung, wenn ich jemandem aus Versehen mit falschem Namen anrede oder eine Antwort gebe, bei der jeder sofort merkt, dass ich absolut keine Ahnung habe ...

Auch wenn mir das nicht selbst, sondern einem anderen passiert, könnte ich vor Scham im Boden versinken – und das um so mehr, je näher ich dieser Person stehe. Bei Fremden gehe ich innerlich und, wenn möglich, auch äußerlich auf Distanz und wende mich ab. Bei Freunden versuche ich, die peinliche Situation irgendwie zu entschärfen oder zu überspielen und sie vor der Schadenfreude anderer in Schutz zu nehmen und zu trösten. Das nennt man Empathie oder schlicht Mitgefühl.

Das Gott ganz viel Mitgefühl mit uns Menschen hat, aber sich nicht für uns schämt, besagt die Adventszeit, die an diesem Sonntag beginnt. Gott geht nicht auf Distanz, wenn wir uns merkwürdig verhalten und peinliche Fehler machen, sondern er wendet sich uns liebevoll zu und versucht uns zu trösten. Ja, er kommt zu uns und wird Mensch - ein Mensch so wie Sie und ich - ein Mensch, der auch ausgelacht und verspottet wird, dessen Schwäche und Ohnmacht bei manchen Zeitgenossen etwas zwischen Fremdschämen und Schadenfreude auslöst. Aber er will es so! Damit wir Menschen begreifen, dass wir auch in den peinlichsten Situationen unseres Lebens niemals allein dastehen! Und deshalb schreibt der Apostel Paulus am Anfang seines Römerbriefs: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben.“ (Röm. 1,16)

Advent bedeutet: Gott schämt sich nicht für uns - auch wenn es uns nicht gelingt uns von unserer besten Seite zu zeigen und wir uns blamieren. Es ist ihm nicht peinlich, dass wir unvollkommenen Menschen seine Geschöpfe sind und ihn unseren „himmlischen Vater“ nennen. Für Gott sind und bleiben wir trotz all unserer Fehler und Macken seine geliebten Kinder. In diesem Vertrauen können wir „ungeniert“ die Adventszeit genießen.

Ich wünsche Ihnen dazu - gerade auch in diesen schwierigen Zeiten - viel Freude und Gottes Segen!

Ihr Pf. Jörg Schubert

Bild von Gerd Altmann auf pixabay.com