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02.11.2020 Kategorie: Wort zur Zeit

Warm anziehen im Lockdown!

Andacht von Propst Dr. Ulrich Lincoln


Neulich saß ich in einer Sitzung. Auf einmal piepte es. Das war ein Gerät, das den CO2-Gehalt im Raum misst. Wir hatten schon darauf gewartet. Was tun? Fenster und Türen wurden geöffnet, der Wind pfiff durch den Raum. Und alle zogen ihre Jacken und Schals an und setzten damit die Sitzung in aller Ruhe fort.

Alltag in Corona-Deutschland. Gemütlichkeit und Kuscheligkeit war früher. Jetzt ist Frischluft angesagt, es lebe der Durchzug! Ich persönlich neige eigentlich auch eher zur Kuschel-Fraktion. Doch in diesem Herbst-Winter beteilige ich mich gerne an der neuen Frischluft-Kultur. Damit überhaupt etwas stattfinden kann.

Auch Gottesdienste sind ja weiterhin erlaubt. Man könnte jetzt sagen: Die Kirchen haben hier einen strategischen Vorteil. Denn Kirchen sind sowieso immer kalt, das war doch schon immer so. Bisher haben die Leute darüber eher geklagt, und die Geübten wussten genau: Wenn du in die Kirche gehst, dann zieh dich warm an. Jetzt wird diese Maxime zur allgemeinen Tugend: Zieht euch warm an und macht die Fenster auf, überall! Keine Angst vor Kälte. Und vergesst nicht das zweite Sockenpaar anzuziehen!

Wie sagt man in Ostfriesland? Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur falsche Kleidung. Das gilt jetzt auch für alle Nichtostfriesen im Lande. Und ebenso für alle Gottesdienstbesucher. Die Kirchen stehen offen, buchstäblich. Macht hoch die Tür, und die Fenster auch, und zwar schon im November. Und wenn wir dann doch zu viele Menschen in der Kirche werden oder wir auch endlich mal wieder ein Lied singen möchten, dann gehen wir eben einfach nach draußen. Im Sommer trafen sich manche Gemeinden im Pfarrgarten, jetzt im Winter wird vielleicht der Kirchplatz zum neuen Gottesdienstort – natürlich immer mit Vernunft und Abstand.

Heute sah ich in Vorsfelde unseren Briefträger mit dem Fahrrad durchs Novemberwetter fahren. Ich bewundere ihn für sein Allwettergemüt. Von ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen schneide ich mir gerne ein Stück Optimismus und Wetterfestigkeit ab.