Liebe Leserinnen und Leser,
es ist Advent. Advent heißt für Christinnen und Christen, sich auf die Ankunft von Jesus Christus vorzubereiten. Eins meiner Lieblingsadventslieder ist: Es kommt ein Schiff geladen. Daniel Sudermann hat den Text um 1626 gedichtet. Er verwendet dort Vorstellungen der mittelalterlichen Mystik. Die mittelalterlichen Mystiker sagten in ihrer Bildersprache: Es ist Aufgabe eines Christenmenschen, Christus zu gebären. Und Maria ist das Urbild dafür.
Wie bereitet man sich jedoch auf diese Ankunft vor?
Lukas erzählt in den ersten 2 Kapiteln seines Evangeliums davon. Die Geburt Jesu geschah nicht in einem Augenblick. Der Advent beruht wie unsere Biologie auch auf einem Prozess, der eine Reihe von unterschiedlichen organischen Momenten hat. In der Sprache der Mystiker ist der erste: Schwanger werden durch den Heiligen Geist. Etwas schlägt in uns Wurzel und wächst heran. Es muss gepflegt und beschützt werden, damit es eigene Lebenskraft entwickeln kann. Um das zu verstehen, suchte Maria das Gespräch mit anderen. Lukas erzählt, dass sie zu Elisabeth ging. Dieses Gehen, Suchen und Verstehen war ihr Advent. Und irgendwann kommt dann der Moment der Geburt.
Die Geburt ist jedoch nur der Anfang der Elternschaft. Maria brachte ein Baby zur Welt und hat dann Jahre mit Pflege und Erziehung verbracht. Das Kind in der Krippe von Bethlehem ist noch nicht der Jesus, der predigt, heilt und dann für seine Anhängern stirbt. Wenn Kinder heranwachsen, dann müssen sich Eltern üben im Verstehen, im Nichtwissen, im Tragen von Spannungen und im Loslassen. Das kann dann wieder ein Prozess sein, der schmerzhaft ist wie die Geburt. Das „Christus zur Welt bringen“ und zu begleiten ist ein langer Prozess.
Lukas erzählt davon in seinem Evangelium. Maria bringt Christus zur Welt und begleitet ihn bis zu seinem Tod. Sie ist ein Bild dafür, was es heißt, Christus zu gebären. Uns Heutigen ist diese Sprache fremd geworden. Wir würden eher sagen: Wir bereiten uns im Advent auf die Botschaft vor, die Jesus verkündet und gelebt hat. So können wir beitragen, dass Gottes Wort unter uns wirkt und Gestalt annimmt und die Welt heller und besser wird.
Wirkliches Weihnachten kommt nicht automatisch, es braucht Vorbereitung. Vor der Geburt liegt diese Zeit der Vorbereitung, vor dem Heiligen Abend liegt der Advent, die Vorbereitung auf diese Ankunft. Daniel Sudermann dichtet: „Das Wort will Fleisch und werden, der Sohn ist uns gesandt. Zu Bethlehem geboren im Stall ein Kindelein, gibt sich für uns verloren; gelobet muss es sein.“
Eins hat – so finde ich – die Sprache der mittelalterlichen Mystiker aber für sich: Sie ist bildhafter und spricht deshalb unsere Vorstellung direkt an. Und sie macht die Advents- und Weihnachtsgeschichte „menschlicher“: Man kann ihre Bedeutung nachspüren.
Kay-Michael Eckardt ist Pfarrer an der St. Maria St. Cyriakus Kirche zu Gr. Twülsptedt und der Johannes-Baptista Kirche zu Rickensdorf.
Lied auf youtube anhören: Es kommt ein Schiff geladen
Liedtext: Es kommt ein Schiff geladen (EG 8,1-4)
1. Es kommt ein Schiff geladen bis an sein höchsten Bord.
Trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort.
2. Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last;
das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.
3. Der Anker haft' auf Erden, da ist das Schiff an Land.
Das Wort will Fleisch uns werden. Der Sohn ist uns gesandt.
4. Zu Bethlehem geboren im Stall ein Kindelein,
gibt sich für uns verloren; gelobet muss es sein.