„Christus spricht: Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen! … Betet für die, die euch beschimpfen!“ (Lukas 6, 27-28)
Liebe Leserinnen und Leser,
eine Szene im Supermarkt: Da streiten sich zwei kleine Mädchen, vermutlich Geschwister, um eine Packung mit Süßigkeiten. Im ersten Moment harmlos. Doch es bleibt nicht bei Beschimpfungen: Die eine Schwester zieht plötzlich der anderen an den Haaren. Als Antwort bekommt sie einen Tritt gegen das Schienbein und kurz darauf weinen beide kläglich. Als die Mutter dazu kommt, fällt es ihr nicht leicht, die Wogen zu glätten.
Eine scheinbar alltägliche Szene. Auch Erwachsene streiten sich, manchmal sogar noch schlimmer. Ich denke, wir alle kennen das: Wenn jemand mich angreift, mich ärgert oder bloßstellt, will ich zurückschlagen. Mich wehren, aktiv werden. Nicht selten entsteht daraus eine Spirale der Gewalt, bei der niemand mehr gewinnen kann. Denken Sie nur an die typischen Streitfälle in der Nachbarschaft!
Jesus schlägt deshalb vor, in so einer Situation anders zu reagieren. Gar nicht so, wie es dem ersten Impuls entspricht. Im Lukas-Evangelium wird überliefert, dass Jesus sagt: „Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen! … Betet für die, die euch beschimpfen!“
Viele Menschen finden diese Aufforderung skandalös oder sogar dumm. Und im Blick auf die weltpolitische Lage, z.B. auf den brutalen Krieg in der Ukraine, mag man berechtigte Zweifel haben, ob es wirklich gut wäre, wenn die Ukrainer sich gar nicht wehren, sondern sich gleich den Russen geschlagen geben. Der Satz von Jesus kann in der großen Politik nicht immer als Handlungsmaxime gelten.
Ich denke aber, im kleinen, zwischenmenschlichen Bereich wäre es gut, wenn mehr Menschen sich danach richten würden. Es liegt eine unheimliche Stärke darin, nicht zurückzuschlagen! Nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern der Spirale der Gewalt zu entkommen.
Stellen wir uns für einen Moment vor, wie die beiden Schwestern vom Supermarkt als Erwachsene in einen Streit geraten: Die eine hält einen Moment inne und blickt der Schwester tief in die Augen. Ihr fällt ein, dass sie auch schon viel Schönes mit der anderen erlebt hat, und dass es eine Menge gibt, was sie beide verbindet. Daher fängt sie an, sich im ruhigen Ton mit der Schwester auseinanderzusetzen. Und tatsächlich können sie so ihre Streitfrage klären.
Ich weiß, es ist wirklich schwer, nach dieser Maxime von Jesus zu leben: „Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen!“ Es wird uns nicht immer gelingen. Aber da, wo es uns gelingt, leuchtet ein Licht auf. Fangen wir doch damit an, für den Gegner zu beten!
Es grüßt Sie Pastor Matthias Rothkirch